70 Jahre KMH

70 Jahre KMH – ein Bildungshaus im Wandel der Zeit

Das Konrad-Martin-Haus hat als Bildungshaus am 01.12.1950 seine Arbeit aufgenommen. Wir bieten also seit nun mehr als 70 Jahren immer wieder Bildungsmöglichkeiten für ganz unterschiedliche Menschen an. Und trotz Corona haben wir dieses Jubiläum gefeiert.

So wollten wir dies mit Ihnen gemeinsam am 28. Mai 2021 zu unserem Tag der offenen Tür tun…eigentlich. Allerdings kam unseren Plänen die Corona-Pandemie und die damit verbundenen gesetzlichen Einschränkungen dazwischen.

Und so haben wir uns DIGITAL auf den Weg gemacht.

Online-Andacht zum Abschluss unseres digitalen Tags der offenen Tür

mit Pfarrer Johannes Zülicke, Katholischen Pfarrgemeinde St. Peter und Paul Naumburg

70 Jahre Leben und Lernen unter einem Dach!

Trotz vieler Widrigkeiten hat die Bildungsarbeit „überlebt“, da wir den Sinn des lebenslangen Lernens nie in Frage gestellt und unsere Angebote an die sich verändernden Rahmenbedingungen angepasst haben. Hier mögen einige Stichworte genügen – kirchliche Bildungsarbeit mit Menschen mit Beeinträchtigungen zu DDR-Zeiten, erste anerkannte Heimvolkshochschule in Sachsen-Anhalt 1994, Bildungshaus der Caritas 2005 und – ganz aktuell – auf dem Weg zu einem inklusiven Bildungshaus.
Wenn diese Dinge reden könnten…

Zur Vorbereitung unseres Tags der offenen Tür haben wir uns auf einen Streifzug vom Keller bis zum Dachboden gemacht und zahlreiche Gegenstände gefunden. Dinge des Alltags, die Augenzeugen waren, wie lebendig es in diesem Haus zugegangen sein muss. Leider können Sie uns keine Geschichten erzählen.

Haben Sie Erinnerungen an unsere „Ausstellungsstücke“? Dann erzählen Sie uns doch Ihre Geschichte. Oder senden Sie uns Erinnerungsfotos aus Ihrer Zeit im KMH. Schreiben Sie uns eine Mail.

Bitte vergessen Sie nicht, uns eine Erlaubnis zu geben, dass wir Ihre Geschichten und Fotos auch verwenden dürfen, um diese auf unserer Internetseite und unseren Kanälen der Sozialen Medien zu veröffentlichen.

Mit einem Klick auf das nachfolgende Symbol

finden Sie weitere Hintergrundinfos.

Wie alles begann…

Vor dem 1. Weltkrieg hatte der Architekt Prof. Schultze-Naumburg am Rechenberg eine Gartenstadt geplant, die nach der Errichtung der ersten Bauten keine Fortsetzung fand. Überregionale Werbekampagnen warben mit den zahlreichen Vorzügen der Region. (1)

Dennoch vermitteln die bis zum Ausbruchs des 1. Weltkriegs errichteten und noch heute bewohnten Bürgerhäuser Am Rechenberg in Bad Kösen einen ersten Eindruck von der Vision des Architekten. Zudem ist eine Veröffentlichung der damals wirkenden Baugesellschaft erhalten geblieben, die einen Lageplan mit allen geplanten Häusern abbildet. (2)

1918 kaufte Paul von Ehrenberg (1846-1928), damals bereits pensionierter Landesgerichtspräsident aus Potsdam die Villa Nr. 8 in Bad Kösen als erstes bezugsfertige Haus. Und so erhielt die Villa nach ihrem ersten Besitzer den Namen „Haus von Ehrenberg“. Nach dessen Tod im April 1928 in Bad Kösen erbte die Tochter Herta von Ehrenberg (1881-1974) die Villa.

Im Pfarrbrief der katholischen Pfarrgemeinde St. Peter und Paul Naumburg/S. wird die Nutzung der Villa von Ehrenberg bis 1947 als Fremdenpension erwähnt, Nachweise liegen uns aber leider nicht vor. (3)

Schieben Sie den Regler nach links und rechts und entdecken Sie die Veränderungen zwischen damals und heute.

Aus unserer Chronik…

Das Erzbischöfliche Kommissariat Magdeburg pachtete 1947 das ehemalige Wohnhaus der Familie von Ehrenberg und nutzt es als Bildungshaus. Es sollte zunächst der Erholung für Priester, Pfarrhelferinnen, Caritashelferinnen, Studenten und Jugendlichen dienen.

Das Kommissariat Magdeburg wandte sich an das Mutterhaus der Franziskannerinnen in Salzkotten mit der Bitte um 2 Schwestern. Auf das Bitten von Erzbischof Lorenz Jäger gab die Provinzoberin trotz ihrer Sorge um das Wohl der Schwestern und der schwierigen Ernährungslage der Bevölkerung die Genehmigung, das Haus in der „Ostzone“ zu übernehmen. Am Fest des Hl. Liborius (Schutzpatron des Bistums), 23. Juli 1947, traten zwei Schwestern die beschwerliche Reise an und erreichten am 24. Juli 1947 den Bahnhof von Bad Kösen.

Den ganzen Reisebericht lesen Sie hier:

„Ja, wenn wir das gute Frl. von Ehrenberg nicht gehabt hätten, die mit ihren 65 Jahren den Rucksack auf den Rücken nahm, und uns Kartoffeln und Gemüse herbeischleppte, dann hätten wir doch oft nicht gewusst, was wir machen sollten. Auch Herr Vikar Fromme hat sehr gut gesorgt, und von den Nachbardörfern geholt, was er bekommen konnte, aber viel hatten die Leute auch nicht, da in dem Jahr alles vertrocknet war, und zudem nur kleine Neubauern dort sind.“ (4)

Villa von Ehrenberg, 1920er Jahre
Konrad-Martin-Haus, 2020
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Am 01.12.1950 wird das Haus käuflich erworben. Das Haus von Ehrenberg wird in Konrad-Martin-Haus umbenannt. Im Namen Konrad Martin wird erinnert an den Bekennerbischof des Kulturkampfes. Er war Bischof von Paderborn von 1856-1879.

Fräulein [Herta] von Ehrenberg sicherte sich beim Verkauf ein lebenslanges Wohn-(und Versorgungs-)recht. Zeitzeugen und Aufzeichnungen in unserer Chronik berichten davon, dass sie sehr aktiv und umsorgend im Gästebetrieb des Konrad-Martin-Hauses mitwirkte. (4)

Durch den damaligen Leiter des Magdeburger Seelsorgeamtes, Hugo Aufderbeck, entstand bald ein Konzept für die Bildungsaufgaben im Kommissariat Magdeburg. Mehr über die wirkmächtige Arbeit von Hugo Aufderbeck im Konrad-Martin-Haus lesen Sie hier (5):

Im Frühjahr 1953 brechen schwierige Zeiten für das Konrad-Martin-Haus an. Vom Rat des Kreises Naumburg sei über Wochen hinweg versucht worden, Tagungen und Kurse nicht stattfinden zu lassen und Gruppen an deren Teilnahme zu behindern. Darüber schreiben die Schwestern in unserer Chronik (4):

Mit der Eröffnung des Jugendheims (um 1953) im nahegelegenen Roßbach endete die Jugendarbeit im Konrad-Martin-Haus. (4)

Weitere staatliche Einschüchterungsversuche ereigneten sich Ende Mai 1958. Es kann zu Hausdurchsuchungen im Konrad-Martin-Haus und dem Pfarrhaus der Gemeinde. Bücher wurden beschlagnahmt und zur Schau gestellt. Der damalige Vikar Hermes wurde verhaftet und zu 16 Monaten Gefängnis verurteilt. Kundgebungen und Proteste fanden im Naumburger Dom statt. Doch unerwartet kam es 10 Tage nach Urteilsverkündung zur Freilassung von Vikar Hermes. Unsere Hauschronik schildert die Vorkommnisse wie folgt:

Die Folgejahre waren dem Gästebetrieb und zahlreichen Umbau- und Erweiterungsaktivitäten gewidmet.

Rückseite der Villa von Ehrenberg. 1920er-Jahre
Rückseite des Konrad-Martin-Hauses, 2009
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Fräulein [Herta] von Ehrenberg wohnte im Konrad-Martin-Haus bis zu ihrem Tod 1974 und wurde in Bad Kösen im Familiengrab ihrer Eltern beerdigt. Die Schwestern schreiben über sie „…sie war immer besorgt für Alle im Haus und für die Gäste wie eine Mutter.“ (4)

Und auch ihre verwitwete Schwägerin und Stifterin des Ehrenberg-Preises der Landesschule Pforte Gertrud-Adelheid von Ehrenberg (1891-1975) fand hier wohl – bis zu ihrem Tode 1975 – ihre zweite Heimat. (6)

Bereits 1973 waren im Konrad-Martin-Haus „das erste Mal für 14 Tage physisch Kranke zur Erholung hier“ (4), die von Fürsorgern und Fürsorgerinnen betreut werden.

Im Sommer 1977 wurden die Schwestern von der Provinzoberin in das Mutterhaus nach Salzkotten zurückgerufen und erhielten nach einigen Schwierigkeiten und rund 6 Monaten des Wartens ihre Ausreisegenehmigung. (4)

Am 1. Januar 1978 ging das Konrad-Martin-Haus in die Trägerschaft des Caritasverbandes für das Bischöfliche Amt Magdeburg über und wurde ab diesen Zeitpunkt als zweites Erholungshaus innerhalb des Bischöflichen Amtes Magdeburg genutzt.

Es diente als Ferienstätte für Körperbehinderte, sowie für „psychisch Kranke“. Aber auch Gehörlose, Blinde, alte Menschen sowie Familien fanden hier Erholung, Ruhe und Entspannung. Ab September 1982 fanden auch erste Seniorenerholungen statt.

1987-1989 erhielt das Konrad-Martin-Haus nach langer Genehmigungszeit die Bewilligung für einen Erweiterungsneubau unter der Voraussetzung, „dass keine Baufirma genommen wird und kein Baumaterial dem Bevölkerungskontingent entzogen wird“. (4)

Nach den baulichen Erweiterungen wird das Konrad-Martin-Haus seit 1990 wieder als Bildungsstätte genutzt.

1993 kann durch den Kauf von Haus Ramona nicht nur das Gelände erweitert werden, sondern das Konrad-Martin-Haus erhält damit auch die Möglichkeit, weitere Gäste unterzubringen. Haus Ramona wurde ursprünglich als Landhaus für Frau von Reuß erbaut von Ernst Blumentritt im Jahr 1929. Jedoch fällt das Haus für die kommenden 3 Jahre in den „Dornröschenschlaf“, denn eine Sanierung des Gebäudes ist teuer und die Mittel sind knapp. Dank eines Investitionskostenzuschusses durch das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt, durch Fördermittel der Lotterie “Glücksspirale” und Eigenmittel durch den Caritasverband konnten die Sanierungs- und Umbaumaßnahmen 1996 beginnen. Seit der feierlichen Einweihung am 13.06.1997 wird Haus Ramona als zusätzliches Gästehaus genutzt.

1994 erhält das Haus als erste Heimvolkshochschule in Sachsen-Anhalt die staatliche Anerkennung als Einrichtung der Erwachsenenbildung.

Weitere 3 Einrichtungen folgten etwas später – die Akademie Sonneck/Großjena, Bildungshaus am Harz/ Alterode und das Roncallihaus/Magdeburg.

Mehr über den Gründungsgedanken von Heimvolkshochschulen und dem „Urvater“ aus Dänemark können Sie hier nachlesen.

In den Folgejahren werden durch Umbaumaßnahmen weitere Seminarräume geschaffen, Gästezimmer modernisiert und ein Personenaufzug angebaut.

Im Dezember 2000 wird mit einem feierlichen Festakt das 50-jährige Bestehen des Konrad-Martin-Hauses im „Mutigen Ritter“ in Bad Kösen gefeiert.

Zwischen 2007 und 2011 wird das komplette Objekt unter Beachtung energetischer Aspekte in mehreren Bauabschnitten saniert, modernisiert und erweitert. In der 41. Ausgabe der katholischen Wochenzeitung Tag des Herrn finden Sie einen ausführlichen Bericht dazu (7):

Heute

verfügt das Haus über 56 Betten in 34 Zimmern. Für die Bildungsarbeit stehen 5 Seminarraumräume unterschiedlicher Größe zur Verfügung. Ein Team von 16 Mitarbeitenden in den Bereichen Pädagogik, Verwaltung, Küche, Hauswirtschaft und Haustechnik garantiert den laufenden Betrieb.

Das Konrad-Martin-Haus plant, organisiert und führt jährlich mehr als 130 mehrtägige Seminare durch…wenn nicht gerade Corona ist.

Die Schwerpunkte unserer Programmgestaltung sind:

  • Politische Bildung
  • Bildung für Menschen mit Beeinträchtigungen/Grundbildungsarbeit
  • Angebote für nachhaltige Entwicklung.

Seminarinhalte, Methoden und technische Ausstattung haben sich in den 70 Jahren, die das Konrad-Martin-Haus nun schon als Bildungseinrichtung besteht, selbstverständlich immer wieder geändert und wurden an die aktuellen Erfordernisse angepasst. Der Grundgedanke aber, ist bis heute geblieben: Menschen durch Begegnung mit anderen Menschen in einer guten Atmosphäre neue Lernerfahrungen zu ermöglichen.

 

Und so heißen wir jeden einzelnen Gast bis heute in unserem Haus herzlich willkommen!

Quellen:

(1) http://www.badkoesen-geschichte.de/index.php/id-1868-bis-1945.html, Stand 24.11.2020

(2) Bad Kösener Baugesellschaft mbH: Die Gartenstadt am Rechenberge. Kastner&Callwey, München, [Jahr unbekannt]

(3) Ausgabe September bis Christkönig 2020

(4) Haus-Chronik Konrad-Martin-Haus

(5) https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_Aufderbeck, Stand, 26.05.2021

(6) https://www.facebook.com/133293893426112/posts/ehrenberg-preis-alte-stiftung-wiederbelebthistorische-adelsdokumente-im-besitz-d/1440075739414581/, Stand 24.11.2020

(7) In der Wochenzeitung Tag des Herrn erfahren Sie mehr dazu: https://archiv.tag-des-herrn.de/archiv_2008_bis_2011/tdh_artikel_13056.php#gsc.tab=0

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Heimvolkshochschule

Konrad-Martin-Haus gGmbH

Am Rechenberg 3-5

06628 Naumburg (Saale) OT Bad Kösen

Inhalt und Gestaltung der 70-Jahre-Sonderseite:

Bianca Thiel, Pädagogische Mitarbeiterin im Konrad-Martin-Haus, Mai 2021

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